Ein Jahr nach Ausbruch des Konflikts im Sudan: Die Frauen dürfen in diesem Konflikt nicht vergessen werden 

Von: Fatima Ahmed, Director von Zenab for Women in development

Die Lage in meiner Heimat, dem Sudan, verschlechtert sich zunehmend. Ich habe die verheerenden Auswirkungen des Konflikts auf die einst blühenden Gemeinschaften gesehen, die nun in einem Teufelskreis aus Hunger, sexualisierter Gewalt, Krankheit und Tod gefangen sind. 

Als der Konflikt zwischen den sudanesischen Streitkräften (SAF) und den paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) im Sudan letztes Jahr ausbrach, musste ich die schwere Entscheidung treffen, nach Ägypten zu fliehen. Als Geschäftsführerin der sudanesischen Frauenrechtsorganisation „Zenab for Women“ spreche ich mich lautstark für die Rechte der Frauen aus. Aktivist:innen wie ich werden zur Zielscheibe, wenn sie sich in den Medien gegen Ungerechtigkeiten aussprechen. Nichtsdestotrotz bin ich entschlossen, dafür zu sorgen, dass unsere Arbeit zur Unterstützung der Frauen in diesem Konflikt weitergeht. Ich möchte all den Frauen Gehör verschaffen, die trotz ihres ununterbrochenen Mutes, ihrer Widerstandskraft und ihrer unverzichtbaren Arbeit zur Unterstützung lokaler Gemeinschaften und Vertriebener weitgehend ungehört bleiben. 

Ein Jahr nach Ausbruch des Konflikts im Sudan hat sich der Krieg verschärft und auf mehrere Bundesstaaten ausgeweitet, was zu einer gravierenden Nahrungsmittelknappheit geführt und eine alarmierende Zahl von Menschen zur Flucht in andere Bundesstaaten und Nachbarländer gezwungen hat.

Laut einem Bericht der Vereinten Nationen leiden fast 18 Millionen Menschen im gesamten Sudan an akutem Hunger und sind dringend auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Darüber hinaus sind mehr als 7,4 Millionen Menschen aus ihrer Heimat geflohen, was den Sudan derzeit zum Land mit den meisten Binnenvertriebenen weltweit macht. 

Die Situation hat sich in den letzten Monaten massiv verschärft, da die Kämpfe auf den Bundesstaat Gezira übergegangen sind – dem zweitgrößten Bundesstaat des Sudan und Sitz des größten Landwirtschaftsprojekts Afrikas. Zu Beginn des Konflikts flohen die Menschen nach Gezira und errichteten dort Unterkünfte für Binnengeflüchtete, doch inzwischen sind sie alle, selbst die Bewohner:innen von Gezira, in andere Bundesstaaten wie Blue Nile, Gadaref und Kassala geflohen. Die Nahrungsmittelkanäle wurden unterbrochen, weshalb der Transport von Nahrungsmitteln in andere Bundesstaaten maßgeblich erschwert ist.

Darüber hinaus hat die Eskalation des Krieges zu einem Zustrom von Menschen in die bereits überfüllten Vertriebenenlager geführt. Dies hat die ohnehin schon schwierige Situation verschlimmert und weitere ernsthafte Probleme geschaffen, wie zum Beispiel einen eingeschränkten Zugang zu Wasser, unzureichende sanitäre Anlagen sowie Hygienemaßnahmen, weit verbreiteter Unterernährung und einem erhöhten Risiko von durch Wasser übertragenen Krankheiten. Aufgrund der zahlreichen Sicherheitsbedrohungen ist es für Organisationen wie die meine zu einer Herausforderung geworden, den Familien in den Vertriebenenlagern humanitäre Hilfe zu leisten. 

Während die Männer kämpfen, sind die Frauen und Mädchen gezwungen, aus Sicherheitsgründen weiter zu fliehen. Aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln haben Frauen Schwierigkeiten, ausreichend Nahrung für sich und ihre Kinder zu finden. Es ist offiziell bekannt gemacht worden, dass die Nahrungsmittel, die verfügbar wären wenig nahrhaft sind, weshalb Frauen und Mädchen oft zuletzt essen und weniger zu sich nehmen.

Nahrungsmittelknappheit erhöht das Risiko geschlechtsspezifischer Gewalt. Dazu zählen Gewalt in der Partnerschaft, sexualisierte Ausbeutung und Missbrauch. Außerdem fördert sie schädliche Bewältigungsstrategien wie Kinder-, Früh- und Zwangsheirat.

Es existieren Berichte über weit verbreitete Vergewaltigungen und Milizen, die junge Mädchen zwangsverheiraten und zu Sklavinnen machen. Sudanesische Frauen erhalten aufgrund der Kriegssituation nur schwer Zugang zu lebensrettenden Diensten wie reproduktiver Gesundheitspflege.

Hierzu zählen die klinische Behandlung von Vergewaltigungen sowie der Zugang zu Notfallverhütungsmitteln. Die Gesundheitseinrichtungen wurden durch den Krieg dezimiert und Vertreibung sowie Stigmatisierung erschweren die Möglichkeit, Gesundheitsdienste wahrzunehmen. Die geistige und psychische Gesundheit von Frauen verschlechtert sich enorm. Einige Frauen äußern Selbstmordgedanken. 

Hanan wurde bereits zweimal durch den Konflikt vertrieben.

Wir leben unter schlechten Bedingungen und haben nur begrenzten Zugang zu Nahrung, Wasser und medizinischer Versorgung. Ich bin mir nicht sicher, was passieren wird. Werden wir wieder vertrieben werden? Ich bin so traurig, wenn ich sehe, wie meine Kinder ohne Bildung im Elend leben und ich bin dauerhaft in Sorge.

HANAN

Dank eines großzügigen Zuschusses von Women for Women International können wir mit Zuversicht 250 Haushalte im Bundesstaat Gadaref mit Lebensmittelkörben und anderen lebensnotwendigen Gütern versorgen. Wir sind glücklich darüber, Hygienekits für etwa 500 Frauen und Mädchen bereitstellen zu können und die Gemeinschaft für die Wichtigkeit gesunder Ernährung, Hygiene, sanitärer Einrichtungen, psychischer Gesundheit und Schutz zu sensibilisieren. 

Fatima Ahmed, Director von Zenab for Women in development

Als eine von Frauen geführte Organisation setzen wir uns mit Nachdruck dafür ein, dass die internationale Gemeinschaft auf die katastrophale Lage im Sudan aufmerksam wird. Vor Kurzem habe ich die Frauen des Sudan vertreten und vor dem UN-Sicherheitsrat ein Briefing gehalten. Dabei habe ich die dringende Notwendigkeit betont, Initiativen zur Friedenskonsolidierung sofort umzusetzen und den Menschen im Sudan ohne weitere Verzögerung die dringend benötigte Hilfe zukommen zu lassen. 

Die Frauen im Sudan geben nicht auf. Sie unterstützen ihre Familien und Gemeinschaften und riskieren dabei ihr Leben. Frauenrechte und von Frauen geführte Organisationen sind eine entscheidende und unverzichtbare Säule der humanitären Hilfe. Obwohl sie nur begrenzten Zugang zu Finanzmitteln, technischer Unterstützung und Betreuungsdiensten haben, erfüllen sie ihre Aufgaben äußerst zielstrebig und kompetent.

 

Ich setze mich weiterhin mit Entschlossenheit für die Menschen im Sudan ein. Die internationale Gemeinschaft sollte einen sofortigen Waffenstillstand fordern und die Beseitigung von Hindernissen unterstützen, die den Zugang von Frauenorganisationen zu den Bedürftigsten erschweren. 

Unterstütze Frauen und Mädchen im Sudan

Mit deiner Hilfe können wir im Sudan auf die dringendsten Bedürfnisse von Frauen reagieren.

MEHR DAZU

Mehr Nachrichten

Gedenken zum 30. Jahrestag des Genozids in Ruanda: Eine Geschichte voller Hoffnung und Vergebung

08.04.2024

Allgemeines, Geschichten

Gedenken zum 30. Jahrestag des Genozids in Ruanda: Eine Geschichte voller Hoffnung und Vergebung

Kakuze Marie Emerence überlebte den Genozid in Ruanda vor 30 Jahren. Die Erfahrungen und die schrecklichen Bilder begleiten sie noch heute, doch sie weiß inzwischen, dass Hoffnung und Veränderung immer möglich sind - selbst in den schwersten Stunden.

Hoffnung schenken – einer Frau nach der anderen 

03.04.2024

Allgemeines, Geschichten

Hoffnung schenken – einer Frau nach der anderen 

Athiya und Ruth sind Trainerinnen in unserem Schulungszentrum in Nigeria. Sie begleiten die Frauen in unseren Programmen und erzählen von der Kraft und der Veränderung, die entstehen, wenn Frauen zusammenkommen, lernen und sich für sich selbst stark machen.

Deine neue Sister wartet auf dich. Stand With Her!

18.03.2024

Allgemeines, Nachricht

Deine neue Sister wartet auf dich. Stand With Her!

Wir launchen unser STAND WITH HER Programm - deine Möglichkeit, einer Frau, die Krieg und Konflikt erlebt hat, beizustehen und sie zu begleiten auf ihrem Weg in ein unabhängiges und selbstbestimmtes Leben. Erfahre hier, was wir an unserem Programm angepasst haben und welche Arten der Unterstützung es gibt!