22.03.2023
Eine Kindheit im Krieg: 20 Jahre Unruhen im Irak
AM 20. MÄRZ 2023 SIND ES 20 JAHRE SEIT BEGINN DES IRAK-KRIEGES
Inhaltswarnung: Dieser Text behandelt Themen wie (sexualisierte) Gewalt
Beklemmung und Unsicherheit.
Das sind die Gefühle, die bei Kavin Mirteekhan, Programmmanagerin in unserem Büro im Irak, aufkommen, wenn sie sich an die Evakuierung ihres Hauses während des Irakkriegs erinnert – eine Erfahrung, die „tiefe psychologische Auswirkungen“ für sie und ihre Familie hatte.
Die Zwangsumsiedlung ihrer Familie in ein Nachbardorf hatte zur Folge, dass sie und ihr Geschwisterkind nicht weiter zur Schule gehen konnten. Der Krieg hatte auch „erhebliche“ wirtschaftliche Auswirkungen, da ihre Familie gezwungen waren, Arbeitsplätze aufzugeben und sich ausschließlich auf ihre Ersparnisse zu verlassen.
„Es war eine beunruhigende Zeit, da wir nicht wussten, ob wir jemals nach Hause zurückkehren und unser normales Leben wieder aufnehmen könnten“, sagt Kavin.
Krieg, Völkermord und politische Instabilität
Der Irak-Krieg begann 2003 mit einer „breit angelegten und konzertierten“ Kampagne des US-Militärs, um Massenvernichtungswaffen zu finden und die Diktatur von Saddam Hussein zu beenden. Schätzungen zufolge starben in der Folge des Krieges zwischen 275. 000 und 306. 000 Menschen.
Nach dem Abzug der US-Truppen im Jahr 2011 erlangte der Islamische Staat die Macht, übernahm die Kontrolle über Regionen im Irak und in Syrien und verübte Genozide an ethnisch-religiösen Gruppen. Ezidische Frauen wurden zur Zielscheibe sexueller Gewalt, mehr als 6.000 wurden entführt und in die sexuelle Sklaverei gezwungen. Schätzungsweise 2.800 werden noch vermisst. Über 5.000 jesidische Männer und Frauen im fortgeschrittenen Alter wurden brutal ermordet und in Massengräbern begraben.
2. 500 Soldaten wurden für eine „Beratungs- und Unterstützungsmission“ zur Bekämpfung des Aufstands des Islamischen Staats in den Irak zurückgesandt. Auf die Aufstände folgte politische Instabilität. Nachdem die irakische Regierung die Kontrolle über den Islamischen Staat in Regionen im ganzen Land wiedererlangt hatte, kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Zivilisten und Regierungstruppen, die die Interessen unterschiedlicher Parteien vertraten.
Nach der Unterdrückung durch den Islamischen Staat streben die Frauen nach Freiheit
Heute hat Kavin einen Bachelor-Abschluss in Englisch und unterstützt als Programmmanagerin im Irak syrische Geflüchtete und Frauen, die während der Herrschaft des Islamischen Staats zur Zielscheibe wurden. Sie ist selbst Mutter und macht sich Sorgen über die Auswirkungen des anhaltenden Konflikts auf das Leben ihrer Kinder.
Der Krieg hat sich bereits stark auf mein Leben und mein Umfeld ausgewirkt. Der Gedanke, dass er noch weitere zwei Jahrzehnte andauern könnte, ist beunruhigend.
Women for Women International im Irak
Women for Women International begann die Arbeit im Irak im Jahr 2003 und hat seitdem Tausende von Frauen durch unser Netzwerk unterstützt. Sie erhalten eine Ausbildung in wirtschaftlichen Fähigkeiten und beruflichem Wissen und werden Teil eines landesweiten Unterstützungsnetzwerk.
Obwohl die politischen und wirtschaftlichen Bedingungen im Irak nach wie vor instabil sind, nutzen die Frauen ihre Ausbildung, um finanzielle Unabhängigkeit zu erlangen und ihre Rechte inmitten eines hohen Maßes an Armut und Gewalt gegen Frauen zu vertreten.
„Wenn man [die Region Kurdistan im Irak] besucht, sieht man nur zerstörte Häuser, die angegriffen und zerstört wurden“, sagt Aram Shekerm, Landesdirektor für unser Büro im Irak. „Es ist so erstaunlich zu sehen, dass Frauen ihr Leben wieder aufbauen. Frauen spielen eine wichtige Rolle beim Wiederaufbau ihres Lebens, und deshalb unterstützen wir sie.“
Im letzten Jahr trafen sich ezidische Überlebende zu einem Solidaritätskreis, der im Rahmen unserer Partnerschaft mit der Nadia’s Iniative gegründet wurde, um ihren Heilungsprozess zu unterstützen. Der Solidaritätskreis fand statt, als die Ninive-Ebene im Irak von den IS-Truppen befreit wurde, wonach wir unsere Programme in der Region ausweiten konnten.
„Ich sehe wirklich eine Veränderung bei den Frauen, die Art und Weise, wie sie miteinander verbunden sind, die Unterstützung, die sie erhalten, und das Gefühl, dass sie ein Zuhause haben“, sagt Khalida Lazgreen, die Ezidin ist und als Programmbeauftragte bei WfWI Irak arbeitet. „Sie spüren, dass wir Schwestern sind, sie bekommen Mut und Unterstützung von uns.“
Bis zum Jahr 2022 haben über 24 000 irakische Frauen an unseren Programmen in der KRI und der Ninive-Ebene teilgenommen.
Durch die Ausbildung habe ich gute Nähkenntnisse erworben, und mein Plan ist es, nach dem Abschluss als Schneiderin für meine Familie und meine Gemeinde zu arbeiten,
sagt Sameera, die an unserem Stronger Women, Stronger Nations- Programm teilnahm, nachdem eine Freundin sie dazu ermutigt hatte.
„Ich bin Women for Women International dankbar, dass sie ein Programm wie dieses für Geflüchtete anbieten.“
„Es ist an der Zeit, dieses Land wiederaufzubauen“
20 Jahre nach dem Irak-Krieg hofft Kavin, dass die Zukunft dem Irak Frieden und Stabilität bringen wird, denn das Land befindet sich weiterhin im Umbruch. Es gibt jedoch Bedenken wegen der tief sitzenden Spannungen und Unruhen, die von „verschiedenen politischen und ideologischen Parteien im Irak“ verursacht werden, und wegen des möglichen Wiederauflebens des Islamischen Staats.
„Es besteht die reale Sorge, dass sich die Ereignisse wiederholen könnten, die dazu führten, dass der Islamische Staat Mosul und ein Gebiet, in dem über 4 Millionen Zivilisten im Zentral- und Nordirak lebten, mobilisierte und besetzte“, schrieb Aram letztes Jahr in „Tired of Conflict, Iraqis Deserve Peace as US Conflict Ends“. Später fügte er hinzu, dass „die Iraker*innen genug von Chaos und Konflikten haben“.
„Es ist an der Zeit, dieses Land wieder aufzubauen, Frieden zu schaffen und den Frauen und Randgruppen [der Gesellschaft] die richtigen Bedingungen zu bieten, um ihr Leben neu auszurichten“, schrieb er.
Kavin hofft auch, dass ihre Kinder eine friedliche Kindheit ohne die gleichen traumatischen Erlebnisse haben werden, die sie während des Irak-Krieges erlebt hat.
Wir hoffen auf ein besseres Leben für unsere Kinder und beten, dass sie ihre Kindheit nicht wie wir in Kriegen verbringen müssen.
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