Aus der Armut zur Boss Lady

ALS ANGELIQUE NABINTU MWANA MUPOPO ZUM ERSTEN MAL IHREN EIGENEN LANDTITEL IN DEN HÄNDEN HIELT, SETZTE SIE SICH NICHT ÜBER DAS GESETZ HINWEG. SIE WIDERSETZTE SICH DAMIT EINER SEIT LANGEM BESTEHENDEN UNGLEICHHEIT IN DER DEMOKRATISCHEN REPUBLIK KONGO, DIE DEN WIRTSCHAFTLICHEN AUFSTIEG VON FRAUEN SEIT JAHRHUNDERTEN BEHINDERT.

„Ich war so glücklich, dass ich hätte springen können“, sagt die 38-jährige Mutter von neun Kindern, „aber es war eine öffentliche Zeremonie, also versuchte ich mich zusammenzureißen.“ 

Angelique und ihr Landtitel. Credit: Sighted Design.

Dieser Erfolg für Frauen hätte schon viel früher kommen erreicht werden können. Im Jahr 2006 wurde in der Verfassung der Demokratischen Republik Kongo die Gleichberechtigung von Männern und Frauen festgeschriebenfest verankert. Das Land hat auch das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung gegen Frauen mitunterzeichnet, das als internationales Gesetzbuch der Rechte von Frauen gilt.

Um die Qualität der Geschlechtergleichstellung weiter zu verbessern,Geschlechtergerechtigkeit weiter voranzutreiben hat die Regierung der Demokratischen Republik Kongo vor kurzem die Familien- und Landgesetze geändert, und die NGOs vor Ort haben sich intensiv für die Einhaltung der Gesetze eingesetzt.

Doch bis jetzt hat die Realität nicht mit der Theorie Schritt gehalten.   

Es gibt viele Gründe, warum kongolesische Frauen wie Angelique bisher keinen eigenen Landbesitz hatten:. Extreme Armut,. Ein kulturelles Vorurteil kulturelle Vorurteile, das die Frauen den Zugang zu Bildung verwehrt und der. Der einheimische Brauch, Land nur an Söhne zu vererben.

Vor allem aber kannten die Frauen ihre Rechte nicht.  

Um die Bedeutung der Erlangung des Landtitels für Angelique richtig einschätzen zu können, müssen wir uns zunächst die wirtschaftliche Situation in ihrem Land vergegenwärtigen.  

Angelique und ihre Familie. Credit: Sighted Design

Die Demokratische Republik Kongo ist zwar von der Fläche her die zweitgrößte Landmasse Afrikas und äußerst reich an natürlichen Ressourcen (zwei Drittel ihres Landes – die Regenwälder – sind für die Klimazyklen des Planeten von entscheidender Bedeutung), aber sie ist auch eines der ärmsten Länder der Welt. Ethnische Feindseligkeiten, die Ausbeutung natürlicher Ressourcen, eine Geschichte gieriger Diktatoren und eine schwache Infrastruktur haben dazu beigetragen, dass sich das Land nicht stabilisieren konnte.

Infolgedessen sind viele ländliche und indigene Bevölkerungsgruppen von Landunsicherheit betroffen. Und Frauen sind am meisten gefährdet.

Es hat sich jedoch gezeigt, dass die Unterstützung der des Zugangs von Frauen zu Land sie in die Lage versetzt, größere Entwicklungsziele zu erreichen, einschließlich des Zugangs zu Krediten und Darlehen. Wenn Frauen stärker und unabhängiger werden, verbessern sie die wirtschaftliche Zukunft ihres Landes.


Angeliques Landerwerb in ihrem Heimatdorf Nyangezi ist ein Beispiel für Erfolg, aber nicht ohne Kampf.

Als Angelique 2017 zum ersten Mal von ihrem Dorfvorsteher von den WfWI-Programmen hörte, arbeitete sie auf den Farmen anderer Leute für etwa einen Dollar pro Tag. Als ihr Mann, ein Maurer, sich das Bein brach und nicht mehr arbeiten konnte, hatte sie keine Möglichkeit mehr, ihre Familie zu unterstützen.

Im Rahmen unseres Stronger Women, Stronger Nations Schulungsprogramms lernte Angelique soziale und wirtschaftliche Kompetenzen kennen und wurde auch über die Rechte der Frauen informiert. Dann wählten Gleichaltrige sie für unser Change-Agent-Programm aus, in dem sie eine Ausbildung als Anwältin erhielt.

Doch als sie und ihr Mann an einem Paardialog über das Landerbe teilnahmenein Gespräch über Landbesitz anfingen, erlebte sie aus erster Hand, welche Kontroversen das Thema auslösen kann.

Ein Mann sagte sogar: „Meine Vorfahren haben es Frauen nicht erlaubt, Land zu besitzen, also werde ich nicht der Erste sein, der sich ändert.“

Angelique verstandzeigte dafür Verständnis.

„Es gab eine Zeit, in der mein Mann mir sagte, ich hätte kein Mitspracherecht, weil er das Land geerbt hat.” Nach der Sitzung fragte er sie sogar unter vier Augen, ob das Recht der Frauen, Land zu erwerben, dazu führen könnte, dass sie sich von ihren Ehemännern scheiden lassen.

Aber Angelique war im Programm gut geschult worden. „Ich habe meinem Mann gesagt, dass das Ziel der Sitzung darin bestand, die Mentalität der Gemeinschaft in Bezug auf die Landbewirtschaftung zu ändern.“

Doch als er sie in ihr Dorf begleitete, um das Gelernte über Landrechte mitzuteilen, machte er plötzlich vor allen Anwesenden eine überraschende Ankündigung.

„Es stimmt“, sagte er, „Männer sollten mit gutem Beispiel vorangehen, und ich bin jetzt bereit, dir dein eigenes Land zu geben.“

Heute, mit dem neuen Titel in der Hand, spielt Angelique fröhlich die „Chefin“ für andere. Sie verdient mehr Geld und kann ihre Familie unterstützen. Außerdem sorgt sie in der gesamten Gemeinde für ein größeres Bewusstsein, insbesondere für die Rechte der Frauen.

Und nicht nur Angelique.Angeliques Geschichte ist kein Einzelfall: Bis heute hat WfWI 145 Landtitel an Frauen vergeben, weitere 300 stehen noch aus.

DRC-Programmteilnehmer und ihre Landtitel. Credit: Sighted Design.

Einer der Schlüssel zum Erfolg von WfWI ist die Einbeziehung von Männern als Verbündete in der Gemeinde.

Nach der Hälfte der Projektlaufzeit stellte sich heraus, dass jeder der 20 Männer, die als Führungspersönlichkeiten eingesetzt wurden, ihren Ehefrauen Land überlassen hatte, nachdem sie mit dem Konzept vertraut gemacht worden waren.

Im Grunde genommen ermöglicht der Landbesitz einer Frau nicht nur eigenes Einkommen, sondern auch die Möglichkeit, für den Rest ihres Lebens eine Dividende zu erhalten.

Heute träumt Angelique vom Rest ihres Lebens – und darüber hinaus. „Wenn das Land heute verkauft wird, muss ich an der Entscheidung beteiligt sein, und das macht mich glücklich.“ Sie plant, das Land für ihre beiden Söhne und Töchter zu nutzen, damit sie selbst bauen oder Landwirtschaft betreiben können.

„Aber mein größter Traum ist es, dass meine Töchter hieratenheiraten, so wie ich ihren Vater, und ebenfalls Land bekommen.“

„Für die Frauen in unserem Programm“, sagt Rachel Boketa, WfWI-Länderdirektorin für die DRK, „ist unsere Arbeit ein Augenöffner. Am Anfang können sich unsere Teilnehmerinnen nicht einmal vorstellen, dass es so etwas gibt. Heute ist Angelique ihre eigene Boss Lady.

„Das Schöne ist, dass meine Kolleginnen und ich aus städtischen Zentren kommen und als Vorbilder fungieren können. Ich besitze Immobilien. Ich besitze Land. Und ich bin eine Frau. Das sagt ihnen: ‚Hey, das kann sich ändern.‘ Und sie können es mit eigenen Augen sehen.

Investiere in die Wirtschaftskraft von Frauen wie Angelique.

Proud To Be a Landowner: Angelique from the DRC 

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