KINDEREHEN UND SEXUELLE GEWALT: DIE AUSWIRKUNGEN VON VERTREIBUNG AUF GEFLÜCHTETE FRAUEN UND MÄDCHEN

UNSERE GESCHÄFTSFÜHRERIN BRITA FERNANDEZ SCHMIDT SCHREIBT ÜBER DEN WELTFLÜCHTLINGSTAG UND DIE AUSWIRKUNGEN VON VERTREIBUNG AUF FRAUEN UND MÄDCHEN.

An diesem Weltflüchtlingstag werde ich an Fryal denken, eine 20 Jahre alte jesidische Frau, die ich vor kurzem während meiner Reise in den Irak traf. Sie erzählte mir, wie sie dem von ISIS durchgeführten Massaker ihres Volkes entkam und begann im Camp Khanke für intern vertriebene Personen (IDPs) zu leben. Es sollte nur zum Übergang sein, aber das überfüllte Zelt, das sie mit ihren Eltern, ihren fünf Brüdern und fünf Schwestern teilt, ist nun seit fünf Jahren ihr Zuhause.

Fryals Eltern kamen im Sommer 2014 dort an. Sie hatten kaum persönliche Habseligkeiten, kein Einkommen und elf Kinder zu ernähren. Sie stürzten in eine gefährriche Existenzkrise.

Das war der Zeitpunkt, an dem ihrer ältestes Tochter, der damals 15 Jahre alten Fryal, ein weiteres Hindernis auf dem Weg in die Zukunft, die sie sich erträumt hatte, in den Weg gelegt wurde.

Mein Cousin fragte mich, ob ich ihn heiraten wollte, weil ich nun alt genug sei, es zu tun…ich hatte sehr viel Druck von meiner Familie.

Fryal lehnte ab und irgendwann ließen ihre Eltern von dem Thema ab. Als ich sie im Frühling 2019 traf, half sie dabei, sich um ihre jüngeren Geschwister zu kümmern und träumte immer noch davon, Lehrerin zu werden. Viele andere Mädchen in ihrer Situation sind mit 15 Jahren Ehefrauen und Mütter.

Während meines Besuchs nahm ich an einer Unterrichtsstunde von Women for Women International über soziale Stärkung für irakische und syrische Frauen teil, die in Situationen der Langzeit-Vertreibung im Irak leben. Die Lehrerin – eine örtlich angesiedelte Irakerin – erklärte die zerstörerischen Konsequenzen einer frühen Ehe. Die Mädchen sind Gewalt und Misbrauch ausgesetzt und werden mit lebensbedrohlichen Komplikationen während der Geburt konfrontiert, wenn sie Kinder bekommen, bevor ihre Körper sich voll entwickelt haben. Sie werden von Bildung und ökonomischen Möglichkeiten abgeschnitten, wodurch Welleneffekte der Armut und Ungleichheit entstehen.

Von den 25 Frauen in der Unterrichtsstunde sagte die Mehrheit, dass sie mit 18 verheiratet wurden. Dies war schon vor dem Krieg normal; eine Frau wurde ihrem Ehemann schon als Baby versprochen. Der extreme Druck des Lebens als Flüchtling oder IDP veranlassen mehr und mehr Familien, sich für eine frühe Heirat ihrer Töchter zu entscheiden. Frauen sprachen über Mädchen in ihren Gemeinschaften, die als 14-jährige an 40 Jahre alte Männer verheiratet werden. Dies ist eines der weniger berichteten und weniger adressierten Probleme, denen die IDPs und die geflüchteten Mädchen ausgesetzt sind.

Eine Frau äußerte einen allgemeinen Glauben, dass die Mädchen sicherer in der Ehe sind und sie so davor bewahrt werden, in Schwierigkeiten zu geraten.

Die Bedrohung, dass ihre Töchter Opfer von sexueller Gewalt werden und somit Schande über ihre Familie bringen könnten, war ein wichtiger Faktor in diesen Entscheidungen.

Der andere wichtige Grund war ein finanzieller. Viele Familien sind so arm, dass sie ihre Töchter  verheiraten, um die Mitgift zu erhalten und eine Person weniger ernähren zu müssen. Wenn Jobs kaum vorhanden sind und die Möglichkeit für Frauen, Ressourcen in die Familien einzubringen minimal ist, kann es wie die einzige Möglichkeit wirken, die Mädchen zu verheiraten.

Ich selber bin Mutter von zwei Mädchen im Teenageralter und diesen Frauen zuzhören, die gezwungen sind, eine solche Entscheidung zu treffen, ist unaushaltbar – besonders, wenn die Entscheidung von der Notwenidigkeit getrieben ist, Essen auf den Tisch zu bringen, ebenso wie eine Gesundheitsversorgung zu ermöglichen und Kleidung für die anderen Kinder zu beschaffen.

Der Kern des Problems sind tief verwurzelte soziale Normen über die Geschlechter, die Mädchen als eine finazielle Belastung ansehen, einen Besitz und ein Risiko für die Ehre der Familie, sobald das Mädchen die Pubertät erreicht. Diese Einstellungen kommen inmitten von Unsicherheit, Armut und dem Trauma der Vertreibung zum Tragen. Das Resultat ist eine alamierende Epedemie der Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Die Zahlen der Kinderehen werden unter syrischen Flüchtlingen zur Zeit vier mal höher kalkuliert als noch vor der Krise, während im Irak die Zahlen in den letzten zwei Jahrzehnten der Instabilität von 15% auf 24% gestiegen sind.

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