Was wir von unseren männlichen Kollegen über aktive Solidarität gelernt haben
Von: Rose Mustakova
Ich habe mit unseren männlichen Kollegen über das Thema Allies gesprochen – das haben sie gesagt:
Als Organisation mit einem Namen wie Women for Women International mag es überraschen, dass wir weltweit eine Reihe engagierter männlicher Mitarbeiter haben, die an einer gerechteren Zukunft mitarbeiten. Denn auch wenn unsere Mission darauf ausgerichtet ist, die Stimmen und die Kraft von Kriegsüberlebenden Frauen zu stärken, kann der Wandel, den wir anstreben, nicht allein von Frauen geschaffen werden.
Obwohl es nicht unsere Aufgabe sein sollte, patriarchale Barrieren abzubauen, brauchen wir in der Realität die Unterstützung der „anderen Hälfte“. Einige unserer stärksten Verbündeten sind Männer – Männer, die mit uns zusammenarbeiten, patriarchale Normen von innen heraus in Frage stellen und ein anderes Verständnis von Männlichkeit vorleben.
Ein Absolvent des Men’s Engagement Programme (MEP) zu Hause mit seiner Familie in Nigeria. Foto: Botul Osman
Ich sprach mit mehreren unserer männlichen Kollegen – aus dem Irak, Südsudan, der Demokratischen Republik Kongo (DRK) und Großbritannien. Ich fragte sie, was Allyship, also aktive Solidarität, für sie bedeutet, wie ihre Arbeit ihr Verständnis von Geschlechtergerechtigkeit geprägt hat und was sie von den Frauen in ihrem Leben gelernt haben. Was dabei entstand, war nicht nur eine Sammlung von Geschichten, sondern ein Zeugnis für die leise, entschlossene Arbeit und den Wunsch, Dinge zu verändern – sowohl auf persönlicher als auch auf gesellschaftlicher Ebene.
Viele der Männer, die bei Women for Women International arbeiten, engagieren sich schon lange gegen Ungleichheit. Für Aram, unseren Landesdirektor im Irak, war der Eintritt in die Organisation eine natürliche Fortsetzung seiner bisherigen Arbeit:
„Ich habe mich schon lange für die Beseitigung von Ungleichheiten gegenüber Frauen in einem männlich dominierten, patriarchalen Kontext eingesetzt. Der Beitritt zu dieser Organisation war eine tolle Gelegenheit, dieser Mission direkter zu dienen.“
Moses, Programmmanager im Südsudan, erzählte, wie seine Kindheit als Sohn eines Soldaten seine Sichtweise geprägt hat:
Ich wurde allein von meiner Mutter großgezogen, während mein Vater im Krieg diente. Ich verstehe die Auswirkungen von Konflikten auf Frauen und Mädchen. Deshalb habe ich mich angeschlossen – um den Frauen in unseren Gemeinschaften etwas zurückzugeben.
Moses
Für unsere Kollegen ist Allyship nicht nur eine Geste – sie ist praktisch, prinzipientreu und oft unbequem. Als Mann in einer Frauenrechtsorganisation zu arbeiten, ruft häufig Fragen, Skepsis oder sogar Spott hervor. Viele berichteten von Vorurteilen und eingeschränkten Vorstellungen darüber, wie Männer sich für Geschlechtergerechtigkeit einsetzen dürfen.
Joseph, Wirtschaftsbeauftragter im Südsudan, erzählte:
Einige Männer fragen mich: ‚Was machst du in einer Frauenorganisation? Bist du eine Frau?‘ Andere sagen: ‚Du verdirbst unsere Frauen – jetzt respektieren sie uns nicht mehr.
Joseph
Ein Kurs des Men’s Engagement Programme (MEP) im Südsudan. Foto: Edward Malish
Ein anderer männlicher Mitarbeiter gab zu: „Oft fragen mich Leute, wie ich als Mann bei einer NGO arbeiten kann, die ‚Women‘ gleich zweimal im Namen trägt. Ehrlich gesagt, wurde ich deswegen auch schon etwas gehänselt.“ Auch Laurence, unser Leiter für Marketing und Kommunikationin Großbritannien, berichtete: „Wenn ich anderen Männern erzähle, was ich beruflich mache, sehe ich manchmal eine runzelnde Stirn und höre: ‚Aber du bist doch ein Mann?‘“ Die meiste Kritik, sagt er, konzentriere sich auf das Argument, dass auch Männer leiden, oder auf den Vorwurf, solche Arbeit sei ein übertriebener Ausdruck von „politischer Korrektheit“. „Das führt dann, sagen wir mal, zu einigen interessanten Gesprächen.“
Normen traditioneller Männlichkeit herauszufordern, ist nicht leicht – und es als Mann zu tun, bringt eigene Schwierigkeiten mit sich. Oft führt es dazu, dass die eigene Männlichkeit in Frage gestellt wird. Denn trotz wachsender Aufmerksamkeit wird männliche Verbundenheit noch immer häufig missverstanden.
Gleichheit versus Gerechtigkeit. Bildnachweis: Interaction Institute for Social Change, Angus Maguire
Viele Männer, so unsere Mitarbeiter, sehen Geschlechtergleichheit als Nullsummenspiel – sie glauben, dass die Stärkung von Frauen eine Schwächung der Männer bedeutet.„Manche denken, dass es zu Machtkämpfen führt, wenn Frauen den Männern gleichgestellt sind“, erklärte ein Teammitglied. Aram ergänzte, dass männliche Verbündetenschaft im Irak oft als „westlicher Wert“ gilt, den nur „schwache“ Männer offen unterstützen Laurence sagte: „In Großbritannien sagen viele, sie unterstützen Gleichberechtigung. Aber wenn man dann über Equity spricht – also über die Notwendigkeit, bestehende Ungleichgewichte zuerst auszugleichen –, fühlen sich manche plötzlich angegriffen.“
Für alle unsere männlichen Mitarbeiter hat die Arbeit in einer Frauenrechtsorganisation ihr Verständnis davon, was es heißt, ein Ally zu sein, herausgefordert und weiterentwickelt. Ein Kollege sagte, es bedeute für ihn:
„Zuhören, verstehen und die Stimmen von Frauen verstärken, ohne sie zu übertönen.“
Es geht darum, tief verwurzelte patriarchale Verhaltensmuster zu korrigieren – zuerst bei mir selbst, dann bei anderen. Ich würde nie behaupten, der perfekte Verbündete zu sein, aber ich bin mir meiner Rolle bewusst und versuche, mich an einem höheren Standard zu messen.
Dieses Bewusstsein – dass Allyship kein Ziel, sondern eine tägliche Verpflichtung ist – zog sich durch alle Aussagen, ebenso wie die Erkenntnis, dass toxische Männlichkeit nicht nur Frauen schadet.
Joseph aus dem Südsudan beschrieb:
„Männer werden darauf konditioniert, keine Gefühle zu zeigen und Dominanz als Zeichen von Männlichkeit zu sehen. Die meisten zeigen keine Verletzlichkeit, aus Angst, als schwach zu gelten. Das führt zu Depressionen, Aggression und Stress.“
Laurence reflektierte über die psychische Gesundheitskrise unter Männern, die oft auf diese Kultur des Schweigens zurückzuführen ist:
„Es herrscht die Vorstellung, dass Männer keine Emotionen zeigen oder um Hilfe bitten dürfen. Das isoliert Menschen und schadet Beziehungen. Ich habe das selbst erlebt – und ehrlich gesagt kämpfe ich selbst damit.“
James, unser Direktor für Schutz und Sicherheit, bot eine interessante Perspektive:
Vielleicht ist das unpopulär, aber ich identifiziere mich als ‚Alpha-Mann‘. Doch für mich bedeutet das nie, Dominanz anzustreben. Wahre Stärke liegt darin, diejenigen zu schützen und zu unterstützen, die es brauchen. Toxische Männlichkeit ist für mich ein massiver Ausdruck von Schwäche und Unsicherheit.
James
Er fügte hinzu:
„Ich achte oft bewusst darauf, weiblichen Kolleginnen in patriarchalen Kontexten den Vortritt zu lassen, um Normen herauszufordern. Das macht mich nicht weniger männlich – es bestätigt, wer ich bin.“
Ein MEP-Trainer beim Programm in der DRK. Foto. WfWI
Aber sind diese progressiven Einstellungen ein Ergebnis ihrer Arbeit bei Women for Women International – oder zieht eine solche Organisation Männer an, die diese Werte ohnehin schon teilen? Es scheint eine Mischung aus beidem zu sein. Viele unserer männlichen Mitarbeiter nennen die Frauen in ihrem Leben als prägend für ihr Verständnis von Geschlechtergerechtigkeit.
Pacifique, Sozialarbeiter in der DRK, wuchs in einer Familie mit zwölf Kindern auf. Seine Mutter machte keinen Unterschied zwischen Jungen und Mädchen bei Aufgaben oder Disziplin:„Wir wurden alle gleich behandelt – und so erziehen wir auch unsere eigenen Kinder.“
Gotau, Ausbilder für wirtschaftliche Stärkung in Nigeria, dankte seiner Mutter und seiner älteren Schwester dafür, dass sie ihm „Widerstandskraft, Entschlossenheit und Engagement“ beigebracht haben.
Wie Pacifique und Gotau erwähnten auch die meisten der über dreißig befragten männlichen Mitarbeiter ihre Mütter als inspirierende Frauen in ihrem Leben. Das bestätigt eine Grundüberzeugung unserer Arbeit: Frauen sind kraftvolle Einflüsse in ihren Familien und Gemeinschaften – und Investitionen in ihr Potenzial haben eine Wellenwirkung des positiven Wandels über Generationen hinweg.
Die Arbeit in einer Frauenrechtsorganisation vertieft – sie bestätigt nicht nur – das Engagement der Männer für eine gerechtere Welt. Laurence etwa gab zu, dass er das Ausmaß sexualisierter Gewalt in Konflikten erst wirklich verstand, als er zu Women for Women International kam:
Die Geschichten der Frauen zu lesen, ihre Wege zu sehen … das erfüllt mich mit tiefem Respekt für ihren Mut und ihre Stärke.
James, nach Jahrzehnten im Sicherheits- und humanitären Bereich, sagte schlicht:
„Alle Vorurteile, die ich über das Leben von Frauen oder die Herausforderungen, denen sie begegnen, hatte, sind längst verschwunden.“
Neben ihren persönlichen Lernreisen führen viele Männer in unseren Länderprogrammen auch aktiv andere Männer an das Thema heran – durch unser Men’s Engagement Programme (MEP), ein zentrales Element unseres Ansatzes für friedlichere, gerechtere Gemeinschaften.
In der DRK und im Südsudan haben unsere Mitarbeiter deutliche Veränderungen beobachtet.
„Männer beginnen, traditionelle Normen in Frage zu stellen“, erzählte Joseph, „entwickeln Empathie und übernehmen gesündere, gewaltfreie Wege, mit ihren Familien umzugehen. Manche geben das Gelernte sogar an Männer weiter, die nicht am Programm teilgenommen haben.“
Doch der Wandel geschieht nicht über Nacht. Aram warnte:
„Einige negative Einstellungen sitzen tief, und es braucht Zeit, bis das neue Bewusstsein und Wissen sich tatsächlich in Verhalten umsetzen.“
Aber selbst kleine Veränderungen – Männer, die beginnen, über schädliche Normen nachzudenken und sie zu hinterfragen – können große gesellschaftliche Auswirkungen haben.
Als wir die Umfrage für diesen Blog verschickten, brauchte es mehrere Erinnerungsrunden, bis genug unserer männlichen Kollegen teilnahmen. Sie waren so auf die eigentliche Arbeit konzentriert, dass sie keine Zeit – oder kein Bedürfnis – hatten, über ihre eigene Rolle darin zu sprechen.
Darin liegt eine wertvolle Lektion: Echter Wandel entsteht nicht durch große Gesten, sondern durch beständige, oft leise Bemühungen, Macht zu teilen, Räume zu öffnen und Verantwortung gemeinsam zu tragen.
Wir sind unseren männlichen Mitarbeitern dankbar – nicht nur für ihr Engagement als Verbündete, sondern auch dafür, dass sie den Maßstab dafür anheben, was aktive solidarität bedeutet.
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