Wie ein Engel in meinem Leben – Olga aus der Ukraine

WENN MIR FRÜHER JEMAND GESAGT HÄTTE, DASS ICH MEIN LEBEN VON GRUND AUF NEU AUFBAUEN MÜSSTE, HÄTTE ICH DAS NICHT FÜR MÖGLICH GEHALTEN. ABER GENAU DAS IST MIR PASSIERT, ALS DER KRIEG IN DER UKRAINE AUSBRACH UND ICH MIT MEINEM SOHN NACH POLEN FLIEHEN MUSSTE.

Contentwarnung: Der folgende Artikel enthält grafische Darstellungen von Gewalt.

Ich erinnere mich noch gut an den Tag, an dem ich zu Hause Angst hatte, weil hörte, wie die Bomben immer näherkommen. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich wollte in den Keller gehen, aber ich hatte zu viel Angst, dass er sich bei einem Bombeneinschlag in ein Massengrab verwandeln würde. Ich rief meinen Mann bei der Arbeit an und bat ihn, eine andere Route für den Heimweg einzuschlagen. Ich hatte gehört, dass der Weg, den er sonst nahm, zu gefährlich war. Auf seinem Umweg traf er auf einen russischen Panzer und er wurde erschossen. Es dauerte noch nichtmals 1 Minute, um 25 Jahre glücklicher Ehe zu zerstören. All unsere gemeinsamen Träume und Pläne für die Zukunft waren mit seinem Tod plötzlich dahin. 

Ich konnte seine Leiche erst nach vier Tagen abholen. Das Feuer in der Region brannte ununterbrochen und niemand wollte dorthin gehen. Schließlich konnte mich am vierten Tag ein Freund zu dem Ort, an dem mein Mann gestorben ist, begleiten. 

Ich werde nie vergessen, wie mein Mann getötet wurde, sein toter Körper lag noch hinter dem Lenkrad. Dieses Bild verfolgt mich jeden Tag…

Nach seiner Beerdigung beschloss ich, nach Polen zu fliegen, um das Leben meines Sohnes zu schützen. Ich war unendlich traurig und hatte die Freude am Leben verloren. Als ich in Polen ankam, suchte ich einen Psychologen auf. Ich musste mit jemandem reden, um zu verstehen, was in mir vorging. Ich fühlte mich so schuldig wegen des Todes meines Mannes. Ich machte mir jeden Tag Vorwürfe, weil ich ihm gesagt hatte, er solle seine Route ändern und hatte das Gefühl, der Unfall sei meine Schuld. Ich hatte auch den Glauben an Gott verloren. Das Einzige, was mich davon abhielt, mein Leben zu beenden, war mein Sohn. Ich musste um sein Leben kämpfen. Dank des Conflict Response Fund von Women for Women International nehme ich regelmäßig psychologische Hilfe in Anspruch. Zum ersten Mal nach all den Monaten konnte ich mich endlich jemandem gegenüber öffnen und weinen. Vorher hatte ich das Gefühl, stark bleiben zu müssen, weil ich meinen Sohn nicht beunruhigen wollte. Jetzt nehmen wir beide am Polnischunterricht teil, fahren Fahrrad und haben neue Freund:innen gefunden.

Ich verbringe viel Zeit mit meinem Sohn und habe vor kurzem eine Stelle in einer Bäckerei gefunden. Als ehemalige Anwältin bin ich es gewohnt, in einem Büro zu arbeiten, daher ist dies eine ganz andere Art von Arbeit für mich. Aber ich bin dankbar, dass ich hierdurch ein regelmäßiges Einkommen habe, mit dem ich eine gemütliche kleine Wohnung für meinen Sohn und mich mieten kann.  

Wenn ich jetzt auf mein Leben schaue – vor allem nach allem, was wir durchgemacht haben – kann ich nicht glauben, was wir geschafft haben. Der Tod meines Mannes hat mir das Herz zerrissen, aber jetzt sehe ich meine Stärke darin, dass ich in ein anderes Land gezogen bin und ein neues Leben bei Null angefangen habe.

Die Gespräche mit meinem Therapeuten haben mir geholfen, zu überleben und mich nicht in meiner Trauer zu verlieren. Ich fühle, dass ich nicht allein bin.

Die Therapiesitzungen zeigen mir, wie belastbar ich bin und ich fühle mich bereit, neue soziale Kontakte zu knüpfen und vielleicht nach einem Job in meiner Fachrichtung zu suchen. Ich bin Women for Women International, Žene za Žene und Human Doc/Beregina sehr dankbar für all die Unterstützung, die ihr mir zukommen lasst. Ihr seid wie ein Engel in meinem Leben.

DEINE SPENDE FÜR DIE UKRAINE

Hilf uns dabei, unsere Arbeit mit ukrainischen Frauen und Kindern auszuweiten.

DEINE SPENDE

Mehr Nachrichten

10 Highlights: Unsere Arbeit im Kontext der Nachhaltigen Entwicklungsziele

15.03.2023

10 Highlights: Unsere Arbeit im Kontext der Nachhaltigen Entwicklungsziele

Um die Ziele der nachhaltigen Entwicklung zu erreichen, ist die Gleichstellung der Geschlechter unabdingbar. Unsere Daten zeigen, wie Investitionen in die Förderung der am stärksten marginalisierten Frauen die Zukunft von Frauen weltweit verändern können.

#TOGETHERFORWOMEN

22.02.2023

#TOGETHERFORWOMEN

Zum diesjährigen Weltfrauentag machen wir uns gemeinsam für Frauen stark und wollen durch unserer #TogetherforWomen Kampagne möglichst viele Spenden für unser lebensveränderndes Schulungsprogramm in Nigeria sammeln. Wieso wir dieses Jahr Nigeria im Fokus haben, welche Wirkung die Teilnahme am Programm zeigt und wie du dich zum Weltfrauentag engagieren kannst, erfährt du hier.

Aus der Armut zur Boss Lady

09.12.2022

Geschichten

Aus der Armut zur Boss Lady

Angelique hat in unserem Schulungsprogramm in der Demokratischen Republik Kongo viel über Landrechte gelernt und ist mittlerweile stolze Besitzerin ihres eigenen Landtitels. Lies hier ihre ganze Geschichte.